Zossen. Diplompsychologin Elisabeth Wils, Mitarbeiterin der AWO Erziehungs- und Familienberatungsstelle aus Zossen, gibt beruhigende Hinweise und Tipps für Eltern und Interessierte mit Blick auf die spannende Zeit vor der Einschulung.
Wenn jetzt das Schuljahr beginnt, wird es für viele Kinder das erste Mal sein, dass sie in die Schule gehen. Eine Premiere, die immer häufiger in den Familien richtig gefeiert wird. In die Schule gehen – endlich - groß sein und wichtige Dinge lernen. Die meisten sind bestimmt gut vorbereitet, die Eltern haben sicher schon lange Ranzen, Turnbeutel und alle notwendigen Materialen besorgt, die Kinder waren vielleicht mit ihrer Kitagruppe schon mal zu Besuch in der Schule und kennen ihren Schulweg. Aber wie wird es dann genau sein, in der großen Schule, mit den anderen Kindern, mit den Lehrerinnen oder Lehrern, mit dem Stundenplan, verschiedenen Fächern und Pausen? Wie wird es sein, richtig lesen, schreiben und rechnen zu lernen? Das kann man sich kaum vorstellen.
Für die Eltern ist es meist nicht minder aufregend. Ihr Kind ist vielleicht nach langen Überlegungen zurückgestellt worden oder es ist zu seiner Einschulung viel jünger als sie selbst waren, als sie zur Schule kamen. Oft haben Eltern sich viele Gedanken gemacht, sind unsicher, ob ihr Kind nicht die letzte Zeit in der Kita zu wenig gefordert wurde oder ob es schon wirklich reif ist für diesen Schritt.
In jedem Fall wird sich für das Kind und die Eltern viel verändern. Die Einschulung ist einer der wichtigen Übergänge im Leben: zu noch mehr Selbständigkeit und Unabhängigkeit der Kinder von den Eltern. Anders als in der Kita werden die Wünsche der Eltern nicht mehr so einbezogen und man hat mit Betreuungszeiten und Ferien keine Wahl mehr. Das Kind wird immer autonomer und die Sorge für ihr Kind liegt in den Händen anderer Menschen. Das kann Eltern ganz stolz machen und etwas schwindelig: „wie schnell unsere Kleine doch groß geworden ist“, aber es kann auch mit Unsicherheiten und manchmal Ängsten verbunden sein, das Kind noch weiter loszulassen zu müssen.
Ein wichtiger Punkt dabei ist, dass Schule heute wohl nicht mehr so ist, wie wir sie früher erlebt haben. Heute wird je nach Schulmodell „jahrgangsübergreifend“ gelernt und „binnendifferenziert“ unterrichtet. Die Kinder müssen nicht mehr im klassischen Sinne schulreif sein und Vorschulfertigkeiten aufweisen. Jedes Kind soll heute integriert und bei seinem Entwicklungsstand abgeholt werden, um seine Persönlichkeit und Lernfähigkeit in seinem Tempo zu entwickeln.
Wenn man Kinder fragt, die in die zweite Klasse kommen, was die Kinder, die jetzt eingeschult werden, denn können sollen, dann sagen sie aber doch meistens: „Still sein, nicht rumzappeln“, „auf die Lehrerin hören“, „melden, nicht einfach reinrufen“. Und das ist vielleicht das, was wir uns auch so spontan vorstellen, was wichtig in der Schule ist. Erzieherinnen und Erzieher älterer Kitakinder können ein Lied davon singen, was sie bitteschön den Kindern noch schnell vor der Einschulung beibringen oder mitgeben sollen, damit das Kind dann keine schlechten Erfahrungen mache, mit dem Leistungsdruck und Anforderungen, die die Schule nach Meinung der Eltern so mit sich bringe. Doch die Fachleute sind sich einig: heute erwartet niemand mehr ein „schulfertiges Kind“, die Kita bereitet nicht auf die Schule vor und die Schule nicht mehr auf den Beruf, vielmehr will man heute in Kita und Schule das Kind, jeweils altersgemäß bei der Entfaltung seiner Persönlichkeit und seiner Fähigkeiten unterstützen. Und da kommt es nicht so drauf an, dass es die Schere schon richtig einsetzen kann. Ein Kind wird heute als schulfähig angesehen, wenn es: - selbständig entscheiden und handeln kann, - mit Erfolgen und mit Scheitern umzugehen weiß, - gruppenfähig ist, - sowohl Rücksicht nehmen kann als auch sich durchzusetzen weiß, - verbal ausdrucksfähig ist, - Spielkompetenz und Frustrationstoleranz besitzt.
Und Schule ist im Übrigen dann gut, wenn sie die Neugier und die Lernfreude der Kinder unterstützt und ihre Fähigkeiten fördert, insbesondere die, immer weiter Neues mit Freude zu lernen.
Kinder sind von Natur aus wissbegierig und wollen lernen. Und deshalb freuen sie sich auch auf die Schule. Aber wie generell im Leben wird es auch Herausforderungen geben und vielleicht läuft nicht alles ganz so einfach. Dann sollten Eltern das Kind ernst nehmen und die Schule nicht schönreden oder das Kind beschuldigen. Sie können Zuversicht ausstrahlen, sollten aber Unbehagen, Ängste oder Ärger nicht abtun. Kinder können oft nicht benennen, was es genau ist, aber morgendliches Bauchweh ist ein deutliches Zeichen, dass ein Kind vielleicht doch überfordert ist. Dann ist der Kontakt zu den Lehrkräften wichtig. Bei Unsicherheit hilft das Gespräch mit anderen Eltern (am besten welchen, die etwas ältere Kinder haben) und Eltern sollten sich auch nicht scheuen, professionellen Rat einzuholen, denn frühe Hilfen sind immer die besten.
In jedem Fall kann man Eltern raten: machen Sie Ihren Kindern keine Angst und keinen Druck. Unterstützen Sie ihre Wissbegierde und fördern Sie die Freude an der Schule, bieten Sie einen Ausgleich zu dem vielen Input der Schultage und vermiesen sie ihnen das Lernen nicht durch zu frühes Üben.
„Ich finde unsere Kinder sollten am Ende des ersten Schuljahres der Überzeugung sein: Lernen ist spannend und macht Spaß und ich kann alles lernen was ich will. Die Schule ist ein toller Ort.“, so Elisabeth Wils. Diese Einstellung hilft später, wenn man auch Sachen lernen soll, die man nicht mehr so spannend findet. Das erste Jahr dient in erster Linie der Eroberung eines neuen Lebensraums.
Elisbeth Wils, Autorin des Beitrags ist Diplompsychologin und Mitarbeiterin der AWO Erziehungs- und Familienberatungsstelle in Zossen. Neben der Beratung der Eltern und anderer Bezugspersonen gehören zum Angebot auch Vorträge und themenbezogene Elternabende in Kitas und Schulen.
Text/Foto: Dipl.-Psych. Elisabeth Wils/awo